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2017 - Famulaturbericht Educandário Santa Tereza - Olinda

von ZHB

Wir, Wiebke und Julia, befanden uns mitten im Staatsexamen in Dresden, die ersten und anspruchsvollsten praktischen Wochen schon überstanden, als wir uns ein paar Gedanken machten, wie es nach den Prüfungen weitergehen sollte.

Direkt mit der Assistenzzeit zu beginnen haben wir ausgeschlossen, wollten wir doch erstmal eine kleine abwechslungsreiche Auszeit nehmen und etwas erleben. Die Zeit nach dem Studium bietet sich dafür bestens an. Aber warum nicht gleich die erworbene Qualifikation nutzen und mit der Lust auf Abenteuer kombinieren? Ein wenig Internetrecherche während unserer zahlreichen Lernpausen ergab einige Möglichkeiten für frisch approbierte Zahnärzte, eine Famulatur im Ausland zu absolvieren. Auf Anhieb hat uns das zahnärztliche Hilfsprojekt Brasilien e. V. angesprochen. Das Projekt gibt es bereits seit fast 30 Jahren und hat sich zur Aufgabe gemacht für Straßen- und Armenkinder aus brasilianischen Favelas humanitäre Hilfe zu leisten und eine zahnärztliche Grundversorgung zu garantieren. Es gibt mehrere Stationen, die sich alle im Nordosten Brasiliens nahe der Millionenstadt Recife befinden.

Convento Santa Tereza - Olinda
Convento Santa Tereza - Olinda

Brasilien - ein schönes und interessantes Land, das wir beide noch nicht besucht hatten! Die Famulaturberichte des Projekts entsprachen dem, was wir uns vorgestellt haben. Besonders gut gefiel uns, dass man vor Ort in Zweierteams arbeitet und in einem brasilianischen Kloster lebt. Die Kontaktaufnahme zu Ruben Beyer, dem 1. Vorsitzenden des Z.H.B. e. V., ging ganz schnell und unkompliziert. Unsere Entscheidung war schnell gefallen, an diesem Projekt wollten wir teilnehmen.

In der Zwischenzeit haben sich uns noch zwei weitere, befreundete Kommilitoninnen angeschlossen. Nun lag es an uns, alles zu organisieren und vorzubereiten. Zu viert hatten wir den Vorteil, dass wir alle bevorstehenden Aufgaben, wie zum Beispiel das Kontaktieren verschiedener Dentalfirmen und -depots, unter uns aufteilen konnten, um ausreichend Spenden in Form von Füllungsmaterialien, Lokalanästhetika, Handschuhen, Mundschutz, Desinfektionsmittel etc. zu sammeln, die für das Projekt unabkömmlich sind.

Bald stand fest, dass es im Zeitraum vom 6. Februar bis 24. März nach Brasilien gehen sollte, den Karneval wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen! Wir bekamen von Ruben unsere Einsatzorte mitgeteilt. Uns wurde die Station in Santa Tereza - Olinda zugeteilt, für die anderen sollte es nach Igarassu gehen. Bald setzten wir uns mit unseren Vorgängern in Verbindung und erhielten nützliche Tipps und Empfehlungen für Brasilien, was sowohl das Arbeiten als auch die Freizeit und das alltägliche Leben vor Ort betraf.

So verging die Zeit, zwischen dem Feiern nach dem bestandenen Examen, dem Abschlussball, Zeugnisausgabe, Weihnachten und Silvester wurden Flüge gebucht, Reiseführer durchgelesen und an unseren Sprachkenntnissen gearbeitet. Sowohl Ruben, als auch unsere Vorgängerinnen hatten uns schon mitgeteilt, dass Portugiesisch notwendig ist, um sich mit den Patienten, Mitarbeitern und Nonnen verständigen zu können. Spanisch kann hilfreich sein, mit Englisch kommt man im Nordosten Brasiliens nicht weit.

Anfang Februar war es dann so weit, ab München ging es über Madrid und Sao Paulo nach Recife. Zum Glück hatte jeder von uns zwei Gepäckstücke à 32 kg zur Verfügung, in denen wir die Spenden unterbringen konnten. Völlig übermüdet und k.o. kamen wir in Recife an und wurden am Flughafen sehr herzlich in Empfang genommen und in unser Kloster nach Olinda bzw. Igarassu gebracht. Jetzt konnte das Abenteuer beginnen. Wir waren zusammen in einem Zimmer mit angeschlossenem Bad im Hauptgebäude des Convento Santa Tereza untergebracht. Eine Klimaanlage war im Zimmer glücklicherweise vorhanden, es war unglaublich schwül und heiß in Brasilien! Kinder waren am Tag unserer Ankunft noch keine da, da die Ferien noch ein paar Tage dauerten. So konnten wir uns in Ruhe einleben, alles erkunden und uns in unserem Gabinete Odontólogico, dem Behandlungszimmer, einrichten. Wir machten uns mit Hilfe der Berichte unserer Vorgänger mit der Funktion des Sterilisators, Kompressors und der Einheit vertraut und überprüften diese. Zunächst gab es ein Problem mit der Einstellung der Behandlungseinheit, welches aber, für brasilianische Verhältnisse sehr zügig, am folgenden Tag repariert wurde.

Die Sozialarbeiterin des Klosters gab uns eine Liste mit allen Namen und den Geburtsdaten der Kinder und erklärte uns, zu welchen Uhrzeiten wir die Kinder behandeln können. Jeder Tag begann für uns um 7:30 Uhr mit dem Frühstück, ab ca. 8:00 Uhr konnten wir mit der Behandlung der älteren Mädchen im Alter von 12- 17 Jahre beginnen, bis zu unserem Mittagessen um 12:00 Uhr. Von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr haben wir die jüngeren Mädchen, sechs bis 11 Jahre, behandelt.

Die Mädchen waren alle sehr freundlich und aufgeschlossen, die kleinen vor allem sehr aufgeregt und erfreut, uns im Kloster zu sehen. Fast täglich kamen die jüngeren Schülerinnen angerannt und haben sich schon bei uns angemeldet, dass sie als erste drankommen wollen.

Für die bevorstehenden Wochen wollten wir systematisch vorgehen: Alle Kinder und Jugendliche zuerst befunden, um einen Überblick zu bekommen, welche Behandlungen anstehen. Um überhaupt behandelt werden zu können mussten die Kinder eine Autorisation ihrer Eltern unterschreiben lassen. So gab es leider einige Schülerinnen, die wir während unserer Zeit nie auf dem Behandlungsstuhl zu sehen bekommen haben.

Einige Mädchen, vor allem die Älteren, waren schon sehr gut saniert, andere hatten einen sehr schlechten Gebisszustand. Unsere Arbeit bestand vor allem aus Prophylaxe, Extraktionen und Füllungen. Wurzelkanalbehandlungen waren aufgrund eines fehlenden Röntgengerätes bzw. elektrischen Längenmessgerät nicht möglich. Trotz der Sprachbarriere, Portugiesisch ist echt schwierig, haben die Behandlungen immer gut geklappt. Wir konnten uns gegenseitig gut unterstützen und unser Wissen aus dem Kinderkurs ergänzen. Wenige Ausnahmen gab es natürlich, zum Beispiel wenn ein Kind jegliche Behandlung abgeblockt hat.

In den sechs Wochen haben wir es geschafft, zumindest alle bleibenden, kariösen Zähne zu konservieren. Da die Zeit begrenzt war, da vor allem wegen dem Karneval an vielen Tagen schulfrei war, mussten wir Prioritäten setzen und konnten leider nicht alle Kinder komplett sanieren.

Gegen Ende unseres Aufenthaltes begleiteten wir drei der Nonnen an einem Nachmittag in zwei der Favelas, in denen die Familien der Kinder hinter dem Kloster leben. Wir wussten vorher aus welchen Verhältnissen die Kinder kommen, doch vor allem der Favela Ponte Preto, dessen Hütten nur aus Pappe oder Wellblech zusammengeschustert waren hat uns sehr schockiert. Die Menschen leben dort im Schlamm und Dreck zusammen mit Schweinen, Hühnern und Pferden nahe einem Fluss, der nur aus einer dunklen Brühe besteht.

An den Wochenenden erkundeten wir die Umgebung und vor allem die Strände in der Nähe, sowie die Altstadt von Olinda, die zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Wir unternahmen außerdem Ausflüge nach Porto de Galinhas, Recife, die Ilha Itamaracá und nach Pipa. Ein Highlight war natürlich der Karneval, der Ende Februar zehn Tage lang gefeiert wurde.

An unserem letzten Tag im Kloster haben wir noch einen Prophylaxetag veranstaltet. Jedes Kind bekam eine Zahnbürste und Zahnpasta, wir haben nochmal zusammen das Zähne putzen geübt, sowie die Zähne aller Kinder fluoridiert.

Ein Highlight war natürlich der Karneval
Ein Highlight war natürlich der Karneval

Wir hatten in Brasilien eine wirklich unvergessliche und tolle Zeit. Die Menschen waren, trotz schwieriger Kommunikation, immer sehr nett und aufgeschlossen. Der Aufenthalt war eine besondere Erfahrung, sowohl in persönlicher, als auch in beruflicher Hinsicht. Durch das komplett eigenständige Arbeiten kann man noch einiges dazu lernen! Allen, die sich für eine Teilnahme an einem Hilfsprojekt im Ausland interessieren, möchten wir dies sehr ans Herz legen. Mit vielen neuen Erfahrungen aber auch ein bisschen wehmütig, da man nicht allen Kindern helfen konnte, kehren wir zurück nach Deutschland, wir werden bestimmt noch oft an die Kinder aus dem Kloster denken. Aber wer weiß, vielleicht kommen wir ja eines Tages zurück nach Santa Tereza!

Wir danken den Firmen 3M Espe, Dentsply, Voco, Gerl, Henry Schein, Dental-Kosmetik GmbH & Co. KG, sowie allen privaten Spendern für die großzügige Unterstützung!

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