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Abschlussbericht über die Stipendienzeit (16.03.15-30.04.15) in Brasilien von Maria Hildner-Heßling

von ZHB

Drei Wochen nach Abschluss meines Staatsexamens in Zahnmedizin ging es für mich und eine Studienfreundin für eine sechswöchige Famulatur nach Brasilien. Unsere Vorbereitungszeit war auf ein Minimum reduziert, da wir zunächst eigentlich eine Famulatur in Sri Lanka planten, dann aber auf das zahnärztliche Hilfsprojekt in Brasilien umschwenkten und unser Hauptaugenmerk zunächst noch auf der Vorbereitung des Staatsexamens lag. Die drei freien Wochen danach widmeten wir dann aber in Vollzeit der Vorbereitung unseres Abenteuers. Neben der Antragstellung für den Reisekostenzuschuss kümmerten wir uns unter anderem um die Organisation von Spenden und entgegen unserer Erwartungen hatten wir trotz unserer kurzfristigen Anfragen schon bald einige Päckchen in unseren Wohnungen stehen. Zudem belegten wir einen zweiwöchigen Portugiesisch- Intensivkurs, der speziell auf unsere zahnärztliche Famulatur ausgerichtet war.

Das zahnärztliche Hilfsprojekt Brasilien e.V. wurde 1988 von einer Gruppe deutscher Zahnmediziner gegründet und steht derzeit unter der Leitung von Herrn Ruben Beyer. Es wurden im Laufe der Zeit insgesamt 9 Praxen rund um Recife aufgebaut, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Straßenkindern der Favelas von Recife im Nordosten von Brasilien, eine Chance auf zahnärztliche Versorgung zu geben.

Unsere eigene kleine Minipraxis
Unsere eigene kleine Minipraxis

Unsere eigene kleine Minipraxis war dann letztlich im Educandário Magalhães Bastos im alten Recife und wir wurden bei unserer Ankunft unglaublich herzlich empfangen und sicher vom Flughafen an unseren Einsatzort gebracht. Am ersten Tag versuchten wir uns zunächst einmal zu organisieren, abgelaufene Behandlungsartikel auszusortieren und für die noch nie behandelten jüngeren Klassen neue Karteikarten anzulegen. Am darauffolgenden Tag legten wir dann los und befundeten in den ersten zwei Wochen zunächst alle 90 Kinder durch, um einen groben Überblick über den Behandlungsbedarf zu bekommen und besonders dringende Fälle oder Schmerzpatienten vorziehen zu können.

Vor allem bei den Allerkleinsten war der Behandlungsbedarf groß, während die Arbeit unserer Vorgänger bei den älteren Kindern schon Früchte zu tragen schien. Alle Kinder bekamen zudem von uns in der ersten Sitzung eine gründliche Zahnreinigung samt Zahnputztraining. Wir legten zahlreiche Füllungen, extrahierten nicht erhaltungswürdige Milchzähne, versuchten durch Fissurenversiegelungen die Überlebenswahrscheinlichkeit der ersten bleibenden Zähne zu steigern und wagten uns an unsere ersten Vitalamputationen. Um den Arbeitsalltag für uns so angenehm wie möglich zu gestalten, wurde extra eine Helferin für uns bereit gestellt, die dann die jeweiligen zu behandelnden Kinder aus den Klassen zu uns in die Praxis brachte. Unsere Behandlungszeiten waren immer von 8.00-11.00 Uhr und 13.00-16.00 und wir schafften wir es fast alle Kinder bis zu unserer Abreise fertig zu behandeln.

Die Nonnen des Klosters
Die Nonnen des Klosters

Den Nonnen des Klosters, an das die Schule angeschlossen ist, war es zudem sehr wichtig, dass wir pünktlich bei den Mahlzeiten erschienen, die wir in einem Vorraum des eigentlichen Speisesaals einnahmen und gaben sich allergrößte Mühe das relativ einfache Essen für uns aufzubessern oder uns ab und zu sogar mit Pizza zu überraschen.

Beim Behandeln und im Gespräch mit ihnen merkten wir schnell, wie rudimentär unsere Portugiesischkenntnisse wirklich waren und dass es sich natürlich teils schwierig gestaltet, weinerliche Kinder mit ein paar auswendig gelernten Phrasen beruhigen zu können. Es wäre also sehr hilfreich vorher entweder mehr Zeit in das Erlernen der Sprache zu investieren oder zumindest Spanisch zu beherrschen, da damit laut unseren Vorgänger die Verständigung in Brasilien einigermaßen gut möglich wäre.

Unser Zimmer war trotz Klimaanlage und Kühlschrank sehr einfach gehalten, aber nach dem ersten Ankommenskulturschock fühlten wir uns hier sehr wohl und heimisch. Auch gab es im Kloster zu unserer eigenen Überraschung an einigen Stellen relativ schnelles Internet und so konnten wir z.B. unsere Mittagspausen nutzen, um unsere anschließende vierwöchige Reise durch Brasilien zu planen oder Kontakt nach Hause zu halten.

Die Kinder hingen während der Behandlungspausen förmlich an uns, obwohl es während mancher Behandlung, vor allem bei den ganz Kleinen, zu Tränen gekommen war
Die Kinder hingen während der Behandlungspausen förmlich an uns, obwohl es während mancher Behandlung, vor allem bei den ganz Kleinen, zu Tränen gekommen war

Die Kinder hingen während der Behandlungspausen förmlich an uns, obwohl es während mancher Behandlung, vor allem bei den ganz Kleinen, zu Tränen gekommen war. An sich macht es riesigen Spaß endlich alleine entscheiden zu dürfen, dennoch nagt es zeitweise etwas an einem, dass man nicht so „perfekt“ wie in der Uni arbeiten kann, da z.B. zunächst kein grünes Winkelstück vorhanden war oder in der gesamten Stadt kein Eisen-3-Sulfat für Vitalamputationen aufzutreiben ist. Zudem ist es gut einen Zahnarzt als Kontaktperson in Deutschland zu haben, den man bei schwierigeren Behandlungsentscheidungen oder Fragen um Hilfe bitten kann.

Ansonsten fühlten wir uns in unserer Umgebung mit einer Universität in direkter Nachbarschaft, auch in europäischer Kleidung relativ sicher, auch wenn uns die Nonnen z.B. rieten, unser Geld nach dem Geldabheben nah am Körper zu verstecken. Zudem versuchten wir natürlich keine auffälligen Schmuckstücke oder Taschen zu tragen.

Bei öffentlichen Verkehrsmitteln kann man ohne Bedenken und zu günstigen Tarifen Bus und Metro fahren. Bei Letzterer schätzten wir sehr, dass es einen geordneten Fahrplan und Durchsagen gab und man so auch selbstständig ohne die Hilfe von Fremden am Zielort ankommt. Kulinarisch empfiehlt es sich an gut frequentierten Straßenständen einige brasilianische Speisen, wie z.B. Tapioca oder Churros zu probieren und vor allem Fischliebhaber kommen in brasilianischen Restaurants voll auf ihre Kosten.

An den Wochenenden unternahmen wir einige Trips in die nähere Umgebung von Recife: Am ersten Wochenende besuchten wir zunächst Olinda, ein zum Weltkulturerbe gehörendes Städtchen, das von Recife circa eine Stunde mit dem Bus entfernt liegt. Zunächst waren wir etwas überfordert, weil die einzelnen Haltestellen nirgendwo ausgeschrieben sind, und man eigentlich komplett darauf angewiesen ist, dass der Busfahrer einen auf die richtige Ausstiegsstelle aufmerksam macht. Jedoch waren alle unglaublich hilfsbereit und der ganze Bus half zusammen, dass die zwei Deutschen wohlbehalten zum Ziel gelangten.

Des Weiteren besuchten wir dann die Ilha da Itamaraca. Die Anfahrt ist zwar günstig, aber mit 2-3 Stunden für einen Tagesausflug sehr zeitintensiv und bei der Ankunft wollten wir zunächst eigentlich gleich den nächsten Bus zurück nehmen, da wir uns nicht sicher fühlten. Nach etwas Überwindung machten wir uns dann doch auf zum Strand, der zwar sehr schön war, aber im Vergleich zu den Stränden, die wir danach besuchten, kein absolutes „ Muss“ darstellt.

An unserem zweiten Wochenende fuhren wir dann nach Pipa, das circa 4 Stunden mit dem Reisebus von Recife entfernt liegt. Dieser Ort eroberte unser Herz von der ersten Sekunde an. Wir wohnten in einer Pousada direkt am Strand, standen jeden Tag um 5 Uhr auf, um den Sonnenaufgang live mitzuerleben und wanderten danach zur Praia dos Golfinhos, um mit Delfinen zu schwimmen. Es war so schön, dass wir uns entschieden ein weiteres unserer Wochenenden während der Famulatur in Pipa zu verbringen.

Zudem verbrachten wir das verlängerte Osterwochenende in Porto de Galinhas, das circa 2 Stunden mit dem Cruzeiro vom Flughafen in Recife entfernt liegt. Auch dieser Ort konnte wiederum mit unglaublichen Stränden punkten und wir verbrachten unsere Zeit mit Schnorcheltrips in den Piscinas Naturais und Wanderungen durch Mangrovenwäldern und Flüssen am Strand von Maracaipe. Auch hierhin kehrten wir später für ein weiteres Wochenende zurück.

Am darauffolgenden Wochenende behielten wir uns vor allein Recife zu erkunden. Hier fiel uns besonders auf, dass einige Plätze oder Gebäude für die WM 2014 neu gestaltet oder restauriert waren, sich jedoch in direkter Nachbarschaft komplett heruntergekommene oder zerstörte Häuser anschlossen und man immer wieder direkt mit dem krassen Unterschied zwischen Arm und Reich konfrontiert wird.

Natürlich ist man grundsätzlich immer, vor allem als zwei allein reisende Frauen in Brasilien, auf der Hut, was auf Dauer etwas anstrengend sein kann, jedoch haben wir die Brasilianer insgesamt als außerordentlich hilfsbereite Menschen kennen gelernt, die uns sogar darauf hinwiesen, wenn wir in Straßen unterwegs waren, die für uns zu gefährlich waren und motiviert waren, uns ihre Kultur und ihre Lebensart näher zu bringen. Insgesamt war es eine unvergessliche Zeit, die wir niemals missen werden wollen und an die wir uns mit Freude zurückerinnern werden!

Ein großes Dankeschön möchten wir den folgenden Firmen aussprechen, die unsere Arbeit mit ihren Sachspenden erst möglich gemacht haben und so schnell und großzügig auf unsere Anfragen reagiert haben: Voco GmbH, Dr. Jean Bausch GmbH&Co. KG, Dentsply, B. Braun Melsungen AG, Septodont, DMG, Hager und Meisinger GmbH und M+W Dental

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